Leseproben

Hier gibt es ein paar kleine Passagen aus dem Buch. Viel Vergnügen!

 

1

Kein Auge hatte er zugemacht. Dieser verfluchte Ischias! Nachdem Kriminalhauptkommissar Bernd Ludwig ausgiebig seine schlechte Laune an einem Kollegen ausgelassen und sich den unvermeidlichen und mittlerweile vierten schwarzen Kaffee aus der Teeküche geholt hatte, veränderte er schon zum dritten Mal an diesem Tag die hydraulische Höhenverstellung seines Bürostuhls. Mit schmerzverzerrtem Gesicht ließ er sich an die Rückenlehne sinken und sah sich die Protokolle und die vorliegenden Daten des mysteriösen Todesfalles im Frankfurter Westend noch einmal an. Ein Mann wird an einem sonnigen Tag mitten an einem belebten U-Bahn-Zugang erschossen, und trotzdem gibt es bislang keinen Zeugen, der einen Menschen mit einer Waffe gesehen hat, und niemand hat den Schuss gehört. Aber zweifelsohne ist der Mann erschossen worden, denn in seinem Kopf steckte laut Arztbericht ein Projektil. Der genaue Obduktionsbericht stand zwar noch aus, aber was sollte da schon noch groß rauskommen? Vielmehr wartete er auf die Ergebnisse der Ballistik.

Es machte Ludwig rasend, auf die Ergebnisse warten zu müssen. Er wusste zwar, dass es nicht schneller ging, aber Warten war nicht seine Stärke. Er hatte deshalb schon mal fast seine Karriere aufs Spiel gesetzt, weil er einen – seiner Meinung nach – zu langsam fahrenden Autofahrer auf der Autobahn so massiv bedrängt hatte, dass dieser Anzeige wegen Nötigung gestellt hatte. Zu Ludwigs Glück fanden sich keine Zeugen, und so verlief das Ganze im Sande. Aber zumindest auf der Autobahn beherrschte er sich seitdem. Er fuhr ohnehin kaum noch mit dem Auto.

Ludwig war Mitte fünfzig, von gedrungener, untersetzter Statur, hatte ein Doppelkinn und einen schwarzen Schnauzbart. Sein Haar war ebenfalls bis auf ein paar graue Stellen schwarz und bestand nur noch aus einem Kranz am Hinterkopf. Er trug meistens einen Anzug ohne Krawatte, war aber durchaus eine gepflegte Erscheinung. Besonderen Wert legte er auf seine Schuhe, meistens elegante Herrenschuhe aus glänzendem Leder, die er bei jeder Gelegenheit blank wienerte. Sofern er sich, anders als die letzten Tage, zu seinen Schuhen hinunter bücken konnte. Sein Ischiasnerv ließ das im Moment jedoch nicht zu.

Aufgrund seines schwarzen Schnäuzers und seiner berüchtigten, ausgesprochen lautstarken Wutausbrüche wurde er von einigen Kolleginnen und Kollegen hinter der Hand „Mister L“ genannt. Das wusste er zwar in der Zwischenzeit auch, verstand aber nicht so recht, was das bedeutete. Und fragen wollte er auch nicht. Kriminalhauptkommissar Ludwig hatte sich leider nie für Comics interessiert.

___

Er las die Berichte der Beamten und der zuständigen Ermittler mit den bis dato vorliegenden Ergebnissen. Das Opfer hieß Max Faller, war 32 Jahre alt, ledig, keine Kinder, und war Mitarbeiter der auf der Goethestraße beheimateten Wertpapierhandelsfirma „Hertz, Staker & Partners“. Interessanterweise lag schon eine Akte über Faller vor: Gegen ihn liefen Ermittlungen wegen des Verdachts auf Insiderhandel, Wirtschaftsbetrug und Vorteilsnahme. Man verdächtigte ihn der Weitergabe von internen, vertraulichen Informationen, und zwar im Zusammenhang mit seinen Beziehungen zur Gelsenbank im Frankfurter Westend. Die Gelsenbank hatte ihren Firmensitz genau gegenüber des U-Bahn-Ausganges, in dem er erschossen worden war. Die Unterlagen in seinem Aktenkoffer lieferten deutliche Hinweise darauf, dass er in der Tat Informationen weitergab. Der Verdacht lag nahe, dass er gerade auf dem Weg zur Gelsenbank war, um dort sein „Informationshandelsgeschäft“ zu betreiben.

Bedauerlicherweise konnte man aus den vorliegenden Indizien nicht beweisen, dass er tatsächlich auf dem Weg zu besagter Bank war. Man konnte es nur vermuten. Max Faller hatte keinerlei Terminaufzeichnungen oder Vermerke hinterlassen, weder in seinen Papieren noch an seinem Arbeitsplatz.

Die mit dem Fall befassten Ermittler waren jetzt außer sich, denn Ziel der Ermittlungen war in erster Linie, die Mittäterschaft des Bankhauses Gelsen zu beweisen und herauszufinden, wer in der Bank für diese Transaktionen verantwortlich war und wer noch involviert war. Man hoffte sogar, hier ein ganzes Netzwerk an illegalen Finanztransaktionen auffliegen lassen zu können. Im Fokus der Ermittlungen lag schon lange der Unternehmenschef und Haupteigentümer Solbert Habakuk Rottler.

Ludwig dachte kurz nach und stieß ein pfeifendes Geräusch durch die Zähne aus. Dann las er nochmal den Bericht des verdächtigen Einbruchs, der zur gleichen Zeit nur eine Straße weiter stattgefunden hatte. Hatten die beiden Fälle miteinander zu tun? Er würde fast darauf wetten. Aber es würde noch viel Arbeit werden, das wusste er.

Er griff zum Telefon und wählte eine Nummer. Nachdem er sein Gespräch beendet hatte, schaute er auf seine große, teure Armbanduhr. Zehn Uhr. Besprechung bei Stolpe. Passt!

Als Ludwig zwei Minuten später ohne anzuklopfen das Büro von Stolpe geräuschvoll betrat, waren die beiden Polizisten Anlack und Reincke bereits da. EKHK Stolpe war gerade mit seiner wohlklingenden, vollen Stimme am Reden und beendete ungerührt seinen Satz, als Ludwig zur Tür hereinkam.

„... könnte ich mir gut vorstellen.“

Erster Kriminalhauptkommissar Hartmut Stolpe, Ludwigs direkter Vorgesetzter, war sowohl von der Statur als auch vom Temperament das Gegenteil von Ludwig. Während Ludwig eher korpulent war, konnte man Stolpe als „hager“, fast „dürr“ oder „ausgemergelt“ bezeichnen. Hochgewachsen, mit langen, dünnen Armen und Beinen. Sein Gesicht war gekennzeichnet von seiner schmalen Nase, auf der er gelegentlich eine rahmenlose Brille oder eine schmale Lesebrille hatte, und den auffällig hohlen Wangen. Sein Mund war ein lippenloser Strich; die dünnen, grauen Haare waren mit Pomade streng nach hinten gekämmt. Ohne Pomade würden sie ihm strähnig ins Gesicht hängen, was im Laufe des Tages, vor allem zum Abend hin, durchaus vorkam. Immer kam er in einem altmodischen, braunen Anzug zur Arbeit, der an ihm rumschlackerte wie an einer Vogelscheuche. Beim Laufen zog er kaum merklich ein Bein nach – ein Andenken an eine Schussverletzung, die ihn schließlich überwiegend in den Innendienst gebracht hatte. Sein Krawattenknoten war meistens schon um die Mittagszeit so oft weitergezogen worden, dass er irgendwo locker zwischen Hals und Brustbein baumelte. Stolpes Büro war immer vom Duft eines scharfen Rasierwassers geschwängert – ein Relikt aus der Zeit, als er noch ein starker Raucher gewesen war und den Geruch nach kaltem Zigarrenrauch so zu überdecken versucht hatte. Er wurde nie laut, ließ sich meistens Zeit, bis er antwortete, und seine Mimik konnte man als minimalistisch bezeichnen. Trotzdem genoss er durch seine Integrität und seine Erfahrung eine immense Autorität, und er konnte einen mit ruhigen, besonnenen Worten schlimmer zur Schnecke machen, als es Ludwig selbst in seinen exzessivsten Wutausbrüchen fertiggebracht hätte. Aber das kam selten vor.

„Hab‘ ich was verpasst?“, fragte Ludwig, der unaufgefordert einen Stuhl gegriffen und sich hingesetzt hatte.

„Schönen guten Morgen, Bernd. Komm doch rein und setz‘ dich.“

Stolpe sagte das in einem ruhigen und väterlichen Ton zu Ludwig. Für Ironie dieser Art waren die Wahrnehmungsorgane von KHK Ludwig nicht geschaffen, daher begann er, ohne auf Stolpes Spitze zu reagieren, sofort mit seinen Ausführungen. Stolpe verzog keine Miene.

„Wie du sicher weißt, ermittelt die Abteilung für Wirtschaftskriminalität schon seit einiger Zeit gegen das Gelsen-Bankhaus. Eine der Hauptfiguren in diesem Spiel war der gestern verstorbene Max Faller. Faller hatte Unterlagen bei sich, die sowohl ihn als auch den Kontaktmann in der Gelsenbank – sofern der bestehende Verdacht zutrifft – des Betruges, der Weitergabe von Insiderwissen oder der illegalen Vorteilsnahme hätten überführen können. In den letzten Jahren sind hier durch diese Transaktionen vermutlich zehn- oder sogar hundertstellige Millionenbeträge an Euro ergaunert worden, also keine Kleinigkeit.“

„So wie Cum-Ex?“

„Nein, Hartmut, so schlimm nun auch wieder nicht. Aber das war ja auch legaler Betrug.“

„Ja, das stimmt. Wie beruhigend ...“

Ludwig grinste bitter, seufzte einmal laut und fuhr fort.

 

2

Knapp zwanzig Minuten später standen Ludwig und Kriminalkommissar Michael Handke vor der Haustür und studierten die Klingelschilder. Es war 8:10 Uhr. In dem Haus lebte offensichtlich mehr als nur eine Wohngemeinschaft, auf jeder Klingel standen drei bis vier Namen in mehr oder weniger leserlicher Schrift. Ludwig fluchte leise.

„Ah, hier!“

Sein Kollege zeigte auf das Klingelschild oben links.

„Kiehn, Loren, Loh, Zinger.“

Zingers Name war handschriftlich mit einem Klebestreifen neben den anderen drei Namen angebracht.

„Da haben wir ihn ja.“

Ludwig drückte mehrmals auf den Klingelknopf. Nach einer für seine Ungeduld unerträglich langen Zeit knarzte ein müdes „’is’n da?“ in der Gegensprechanlage.

„Ludwig und Handke von der Polizei. Machen Sie bitte auf! Wir müssen Ihnen ein paar Fragen stellen.“

„Shit!“, zischte es langsam und kaum hörbar aus dem Lautsprecher, dann war das dröhnende Rasseln des Türöffners zu hören. Es knackte nochmal kurz in der Leitung, sie hörten noch ein „Ganz oben“ im Gegensprecher, da fiel die Tür auch schon schwer mit einem satten Geräusch hinter ihnen zu. Ludwig ging eiligen Schrittes die Treppen hoch, Handke folgte etwas gemächlicher nach.

Oben angekommen – die letzten zwei Treppen hatte es Ludwig nicht mehr ganz so eilig – schaute sie eine junge Frau mit verwuschelten Haaren in T-Shirt und Schlabberhose müde und gleichzeitig nervös an. Ludwig war etwas außer Puste und atmete deutlich hörbar. Sein Kopf glühte. Er schaute beim Schnaufen auf den Boden. Vor der Wohnungstür lag eine Fußmatte mit der Aufschrift „Möge die Macht mit dir sein“. Handke kam jetzt auch oben an und stellte sich neben seinen Chef.

„Was’n los?“, fragte die Frau.

Ludwig rang immer noch nach Atem, als er ihr antwortete.

„Es geht um Ihren Mitbewohner Herrn Zinger, Frau ... – wie war gleich Ihr Name?“

„Kiehn heiß’ ich, Anna Kiehn. Komm’ Se doch rein.“

Sie gingen in den mit allerlei Krempel zugestellten Flur mit altem Holzdielenfußboden, der bei jedem Schritt knarzte. An den Wänden und zum Teil sogar an der Decke hingen an jeder freien Stelle Poster, Plaketten und Sticker, alle mit dem Thema „Star Wars“. Ein nervöser kleiner Hund mit langen spitzen Ohren kam angerannt und kläffte Ludwig wild an, traute sich aber nicht näher ran als zwei Meter. „AUW, AUW, AUW“ bellte er.

„Aus, Yoda“, rief Kiehn, „Ins Körbchen du musst!“

Der Hund trollte sich in die Ecke und knurrte leise, dann rollte er sich beleidigt in seinem Korb zusammen.

„Sorry, wir krie’n hier nich’ oft Besuch, da tickt er immer etwas aus. Ey, ich war übrigens grad auf’m Weg ins Bad, stört’s Sie, wenn ich kurz ...?“

„Ja, klar, gehen Sie ruhig!“, brummelte Ludwig genervt. Zu seinem Missfallen hörte er kurz darauf die Dusche brausen.

„Das darf doch nicht ...“, fluchte er vor sich hin.

„Ich dachte, die muss nur mal schnell pieseln. Ich hatte nicht vor, den halben Tag hier zu verbringen.“

Handke zuckte nur mit den Schultern. Nach etwa einer halben Stunde kam sie wieder aus dem Bad, als wäre es das Normalste der Welt. Ludwig und sein Kollege hatten die ganze Zeit schweigend im Flur an der Wand gelehnt. Der Hauptkommissar hatte alle paar Minuten auf seine Uhr geschaut und dabei genervt durch die Zähne ausgeatmet, um dann wieder mit finsterem Gesicht in eine Art Starre zu verfallen. Lediglich sein dröhnender Kopf und seine pochenden Nebenhöhlen hielten ihn davon ab, laut zu werden. Er war heute nicht ganz er selbst. Handke war klar gewesen, dass jetzt jedes Wort eins zu viel gewesen wäre und hatte daher bewusst geschwiegen.

Anna Kiehn lächelte. Sie war jetzt frisiert und geschminkt. Außerdem trug sie normale Alltagskleidung.

„So, jetzt isses besser!“

Das sagte sie wie selbstverständlich. Ludwig war kurz vorm Explodieren, schluckte seinen Ärger aber runter, denn er wollte ja noch etwas von ihr erfahren.

„Wir geh’n am besten in die Küche. Kaffee?“

Ludwig gab ein Grummeln von sich, das Kiehn als ein Ja deutete. Der Kommissar lugte nochmal missbilligend in Yodas Ecke und setzte sich dann auf einen der Stühle in der Küche. Dieser knarrte dabei so laut, dass Ludwig erschrocken zusammenfuhr, doch der Stuhl hielt. Handke blieb an der Tür stehen und zückte ein Notizheft. Kiehn schaute derweil gelangweilt in einen der Schränke, seufzte tief und holte dann einen alten, benutzten Kaffeefilter aus dem Mülleimer, den sie nach einem kritischen Blick in die Kaffeemaschine stopfte. Sie füllte Wasser ein und startete das Gerät, dann setzte sie sich zu Ludwig. Der hatte inzwischen die Augenbrauen mehr als nur hochgezogen und beschlossen, hier lieber keinen Kaffee zu trinken.

„Können Sie mir zu Herrn Zinger irgendwas sagen?“

„Naja, der Lee is’ halt so’n Musiker, spielt in so ’ner Band und so. Genauer gesagt singt er. Außerdem kocht er noch so irgendwo so und ab und zu schraubt er so an Autos rum und so. Übrigens spricht man sein‘n Namen ‚Zinger‘ aus, mit ‚Zett‘, also deutsch, obwohl er so‘n halber Ami is‘. Da legt er Wert drauf. Wegen seiner Ahnen und so. Er hat sei‘n Nachnamen von sei‘m deutschen Papa. Wohnen tut er noch nich’ so lange hier bei uns in der WG, vielleicht so drei Monate oder so. So gut kenn ich den noch gar nich’. Der is’ eh nie da. Wieso, was is’ eigentlich mit ihm? Hatter was verbockt?“

„Wie man’s nimmt. Hat er Feinde, irgendwelche Schwierigkeiten, Geldprobleme, Streit?“

„Ey, wer hat’n keine Geldprobleme, hä? Dem geht’s kohlemäßig ganz gut, glaub‘ ich, mit sei’m Kochen und dem Geschraube und so. Und die Band hat auch ab und zu schon so’n bezahlten Gig gehabt, wenn mich nich’ alles täuscht. Kann mir nich‘ vorstellen, dass der mit jemandem Ärger hat. Is ‘n okayer Typ und so. Aber ey, was weiß man schon? Fragen Se am besten mal den Kai oder den Hanso, die häng’n ab und zu mit dem Lee so ab und so. Über Kai hat der Lee auch das Zimmer hier gekriegt.“

Die Kaffeemaschine gab jetzt gurgelnd-schmatzende Geräusche von sich. Ein bemerkenswerter Duft von alten Socken mit einem Hauch Nachttankstellen-Kaffee­aroma erfüllte den Raum. Handke wurde leicht blümerant, Ludwig entging dieser Genuss aufgrund seiner verstopften Nase.

„Gut, vielen Dank. Wann und wo finde ich denn diesen ‚Kai’ und diesen ‚Hanso’?“

Kiehn trottete zur Kaffeemaschine und goss blassbraunes Gebräu in einen großen Humpen, den sie vorher unter dem kalten Wasserhahn ohne Bürste, Schwamm oder gar Spülmittel kurz ausgespült hatte.

„Der Hanso pennt noch, da können Se mal kloppen. Zweite Tür links. Der Kai is’ auf Schicht, der kommt so gegen zehn, halb elf wieder und hat dann Augenringe bis unters Kinn. He, Ihr Kaffee. Schwarz oder mit Milch?“

Ludwig beantwortete die Frage nicht und ging direkt zu besagter Tür. Anna Kiehn blieb mit ratlosem Gesicht zurück, bot den Humpen mit einer fragenden Geste Handke an, der sich aber auch eilig abgewandt hatte. Sie zuckte kurz mit den Schultern, nippte selbst an der Tasse und verzog das Gesicht.

Nachdem Ludwig dreimal kräftig gegen die Tür gewummert hatte, hörte er gemurmelte Flüche, dann ein Poltern, als ob etwas umgefallen wäre, dann lauteres Gefluche und schließlich wurde die Tür mit einem Ruck geöffnet. Yoda knurrte derweil in der Ecke. Ein kleiner, leicht untersetzter junger Mann mit strubbeligen Haaren und einer Brille mit starken runden Gläsern, gekleidet nur in einem T-Shirt und Boxer-Shorts, lugte mit kleinen Augen aus der Tür raus.

 

3

„Reinke, Kriminalkommissarin. Das ist mein Kollege Limm. Sie haben den Toten gefunden?“

Der kräftigere und größere der beiden Herren brachte sich in Positur, sein Hund stutzte und schaute Reincke neugierig an. „Wenn der mich jetzt abschleckt, dann vergesse ich mich!“, dachte sie. Doch der Hund blieb bei seinem Herrchen, wedelte mit dem Schwanz und guckte sie hechelnd an.

„Ei, Guten Tach, Frau Kommissarin. Ja, dess war isch. Diener heiß ich. Dess is mein Hund Bembel, un dess is mein Kolleesch, de Jo. Mer habbe hier unser Rund gemacht heut Morje, de Jo un isch, mit meim Hund. Und da seh isch die Sauerei da in de Bach. Gugge Se sich dess doch ema aa! Ei, so e Sauerei! Die Drecksäck, die elendische! Und als isch dann genauer gugge will, kimmt mein Bembel mit so em komische Stegge aus dem Haufe an. Er lescht‘n vor mir ab und rennt gleich widder zu dem Haufe, ohne zu wadde, dass isch‘n werf. Des war schon ungewöhnlisch, denn vom Stöcksche werfe, da krie‘t der nie genuch. Isch geh also hinnerher, un da sitzt de Bembel nebe dem Kerl, der da lischt. Isch dacht erst, der wär besoffe, aber der sah gar ned guud aus. Un wie der aagezooche is! Da habbe mer gleich die Polizei aagerufe.“

Er hielt sein Mobiltelefon hoch. Reincke nickte anerkennend, mit einem stechenden Seitenblick zu Limm, der fleißig protokollierte. Wenigstens etwas.

„Das war richtig so, vielen Dank. Dieses Stück Holz Ihres Hundes, das haben Sie aber der Spurensicherung übergeben, oder?“

Der Mann schaute betreten auf seine Schuhspitzen, dann sagte er kleinlaut:

„Hrmja, er hat dann die ganz Zeit mit gespielt, bis die Polizei kam. Der Herr da hat's ihm dann weggenomme. War abber net eifach.“

Der Mann, auf den Herr Diener gezeigt hatte, warf ihm einen sehr grimmigen Blick zu und knetete dabei seine verbundene rechte Hand.

Sie schaute wieder die beiden Herren an und wandte sich an den anderen, Kleineren.

„Haben Sie auch etwas gesehen, Herr ...“

„Kocker, Jo, äh, also eischentlisch Josef. Ne, isch war e bissi hinnerher, die zwaa habbe grad Stöckscher werfe gemacht, un die habbe eh‘ en Schritt druff wie e ganz Kompanie. Da komm isch net so gut mit. Wisse Se, die Knie ... Als isch kam, da hat de Bembel so e Stück Holz im Maul gehabt, und de Bernhard – also de Herr Diener mein isch – der hat schon ganz uffgerescht was von em Doode gebabbelt. Isch wollt ja gugge, aber er hat misch dadevon abgehalte, wesche Spurn un so. Had er ja aach recht.“

Herr Diener schwellte stolz die Brust.

Reincke nickte ihm zu. „Ja, das war sehr gut und richtig. Es hilft uns und vor allem der Spurensicherung sehr.“

Sie machte eine kurze Pause.

„Herr Limm nimmt jetzt noch Ihre Namen und Kontaktdaten auf, falls wir noch Fragen haben, und wir würden uns dann gegebenenfalls nochmal melden. Haben Sie vielen Dank.“

Mit diesen Worten wandte sie sich ab und wollte gerade in Richtung der Fundstelle gehen, als Herr Diener nochmal das Wort ergriff:

„Ei, abber was is dann jetzt mit dem ganze Gerümbel hier? Mäscht dess einer weg? So e Sauerei, einfach in die Bach gekippt. Die Drecksäu! Hoffentlich is da kaa Gift drin, sonst gehe am End noch die Fisch ei. So e Schand!“

Er wollte gerade zu einer weiteren Tirade ansetzen, da zupfte sein Freund Kocker ihn am Ärmel.

„Ei Bernhard, merkste dann net, dass die Frau Kommissarin dei Gebabbel jetzt gar net mehr hörn will? Die is wesche der Leisch da, net weesche dem Gerümbl. Dess mache sischer annern.“

„Ei, abber is‘ doch wahr, guck‘s dir doch an, wie dess hier aussieht. So e Sauerei, so e elendische ...“

„Komm, halt jetzt dei Babbel un kimm. Mer geh‘n jetzt in die ‚Erholung‘ uff‘n Schobbe.“